Ein Haus für meinen Vogel
Herzlich Willkommen, Mandy Merker, in der Natur-Dialog Bewegung. Ein Portrait verfasst von Sinha Weninger.
Im Natur-Dialog Magazin wollen wir immer wieder auch Mitwirkende der Bewegung vorstellen. Dies soll auch als Einladung verstanden werden. Ins Gespräch kommen, einander kennen lernen und solch persönliche Begegnungen mit anderen teilen. Herzlich Willkommen.
Mandy Merker, aus Bad Schandau im deutschen Bundesland Sachsen, ist seit Anfang des Jahres Mitwirkende im Initiativkreis der Natur-Dialog Bewegung. Wer sie trifft, spürt sofort ihre grosse Verbundenheit zur Landschaft ihrer Heimat und vor allem zum Wald. Ein Meer von einem Wald mit wunderschönen, grossen, zusammenhängenden Gebieten, das findet man in der Sächsischen Schweiz, erzählt Mandy. Trotz und mit Borkenkäfer. Und ihre Erzählung über die Landschaft, in der sie beheimatet ist, spannt dann gleich grosse geschichtliche Bögen. Hin zu jener Zeit, als diese Wälder tatsächlich noch Meer waren und wie sich aus diesem über Jahrmillionen Sand abgelagert und sich so irgendwann Land aus dem Meer emporgehoben hat. Das was heute typisch ist für die Region, Sandsteinfelsen, die aussehen, als seien sie von Riesen beim Türmchen spielen aufgestapelt worden, die sind in ihren vielen teils bizarren Formen von Wind und Wetter geboren worden.
Das Elbsandsteingebirge prägt die Landschaft beiderseits der Elbe in der Sächsischen Schweiz (Fotos: Mandy Merker)
In dieser Landschaft lebt und wirkt Mandy vielfältig. In sogenannten Walkaways und Jahresbegleitungen ist sie mit jungen Menschen draussen unterwegs als Übergangsgestalterin. Auch mit erwachsenen Menschen arbeitet sie natur-dialogisch. Nicht unbedingt nach einem fixen Format, sondern immer auf der Suche nach dem gegenwärtigen Prozess zwischen Menschen und dem, was ihnen draussen begegnet. Und sie arbeitet als Sozialpädagogin für die Aktion Zivilcourage e.V. im Feld demokratischer Bildungsarbeit. In einer Region, die sich nicht nur aus Wäldern, Sandstein und der Elbe kreiert, sondern die in ihrer jüngeren Geschichte mit Fragen von politischem Extremismus und demokratischem Miteinander gefordert ist. An all diesen Themen ist Mandy zu finden. Seit 25 Jahren ist sie ausserdem beim Roten Kreuz, ein Engagement, das sie bis hin zu Ämtern auf Bundesebene verfolgt hat, weil ihr diese Idee der Menschlichkeit, jedem Menschen Hilfe zu geben, ohne zu fragen wer er ist oder welchen Hintergrund die Person hat, diese Idee, da wollte sie etwas bewegen und das hat sie viele Jahre bewegt. Diesen Herbst endet dieser Teil ihres Lebens, wohingegen sie auch weiterhin dem Anliegen treu sein will, jungen Menschen eine Stimme zu geben oder sie in ihren Ideen und Engagements zu unterstützen.
“Ich habe das selbst so oft gehört, dafür bist du noch zu jung – oder auch – dass kannst du noch nicht. Und so ist das immer wieder auch heilsam für mich, wenn ich etwas dazu beitragen kann, dass junge Menschen ins Wirken kommen.”
Mandy ist Jahrgang 1982, als die Berliner Mauer gefallen ist, war sie 7 Jahre alt und erinnert aus ihrer Schulzeit auch intensive Wald- und Wiesenstudien. Mit der Aufgabe Herbarien anzulegen, hat sie Stunden um Stunden, neugierig, lesend, forschend auf Wiesen verbracht, um Pflanzen kennen zu lernen. Im Laufe der Zeit kam auch das Interesse dafür, welche Wirkungen und Möglichkeiten in den verschiedenen Pflanzen enthalten sind und wie diese auf unterschiedliche Menschen auch wiederum unterschiedlich wirken. Durch jahrelange Beschäftigung damit, den Austausch mit anderen und begeistertes Experimentieren hat sich grosses Wissen angesammelt, und eine Beziehung dazu, welches Heilungspotential selbst auf einer kleinen Wiese vor dem eigenen Haus, aber auch an unterschiedlichen Plätzen in der Umgebung enthalten ist.
Mandy Merker ist vielleicht auch selbst eine Art Pionierpflanze. Bestimmt ist sie eine Brückenbauerin, eine die versucht, dort Verbindungen zu finden, wo einem vermeintlich abgegrenzte Felder begegnen. Sie erzählt von Fahrradreisen, die sie mit ihrem Vater macht und in denen sie erlebt, wie Landschaften, Lebensgeschichten und sozial-historische Geschichte miteinander in Sprache kommen. “Meine Grosseltern, die haben den zweiten Weltkrieg erlebt. Und meine Eltern, die sind im Regime des Kommunismus gross geworden, und diese Konflikte, die da auch zwischendrin stattgefunden haben, die konnten glaub ich vielfach nicht erzählt werden. Auf unseren Fahrradreisen fahren wir immer eine Strecke, die Teil der Geschichte meines Vaters ist. Und dann fahren wir eine zweite Strecke, deren Geschichte wir beide noch nicht kennen. Und in diesem durch die Landschaft radeln, begegnet mir eine Form von Kontakt, bei der ich den Eindruck habe, dass Geschichten ganz anders erzählt werden können”.
Auf dem Drahtesel vergangene und gemeinsame Geschichten erfahren (Foto: Mandy Merker)
Und dann gibt es da noch die Geschichte des Fichtenkreuzschnabels. Ein Vogel, der Mandy bei ihrer ersten Solonacht in der Natur begegnet ist. Diese Geschichte erzählt von ihrem Ruf, dem Weg, auf den sie vor einigen Jahren aufgebrochen ist, um im Kontakt mit Natur ihre Aufmerksamkeit in neue Richtungen zu lenken. In vielen natur-dialogischen Biographien gibt es solche Resonanzerfahrungen. Die von Mandy spielt an einem idyllischen See, an dem ein Vogel sich in ihrer Nachbarschaft eingefunden hat, um dort, ruhig und geschützt, zu sterben. “Das war eine starke, auch emotional heftige Erfahrung damals. Aber ich habe verstanden, dass gelingendes Leben auch heisst, dass es gute, geschützte Orte zum Sterben braucht. Und irgendwie habe ich auch verstanden, dass solche Themen auch zu mir und meinem Wirken gehören.”
“Menschen zu treffen, die draussen unterwegs sind und in ganz unterschiedlicher Weise mit Natur arbeiten, das bereichert mich. Dieser Austausch, sich gegenseitig zu erzählen, wo und wie man wirkt und was man erlebt, diese Art von Netzwerk, die wünsche ich mir in der Natur-Dialog Bewegung.”
Mandy Merker ist eine Mitwirkende der Natur-Dialog Bewegung mit vielen Facetten, mit Mut und mit Experimentierfreude, eine neugierige Frau, die interessiert ist an Austausch mit Menschen, die eine Leidenschaft haben für Natur.
P.S. Mehr zu Mandy Merkers Projekten als “Natur-Dialogische Apothekerin” gibt es bei der nächsten Jahresversammlung der Bewegung zu entdecken.
Sinha Weninger ist Naturtherapeutin, Dozentin für Sozialpädagogik, Mutter und verantwortlich für das Natur-Dialog Magazin. Weitere Infos unter www.weninger.info
Fotos: Mandy Merker
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