Können wir mit Bäumen kommunizieren, und wenn ja, wie?
So lautete die Frage, die Künstlerin Miriam Ferstl über einen Zeitraum von zwei Jahren sehr vielen unterschiedlichen Menschen aus allen möglichen Ländern dieser Welt, unter anderem auch Kindern gestellt hat.
Einige Ergebnisse dieser Umfrage wurden zusammen mit anderen Texten und Beiträgen in einer szenischen Collage im Rahmen des Klimaherbstes 2022 in der Winterhalle des Botanischen Gartens München von verschiedenen Akteur:innen zu Gehör gebracht. Im Anschluss gab es eine Einladung zu Wahrnehmungsübungen mit der Künstlerin Sandra Hasenöder.
Szenische Collage in der Winterhalle des Botanischen Gartens München. Miriam Ferstl ist die zweite von links mit hellblauer Mütze (Foto: Kamill Lippa)
Passenderweise konnte ich just an dem Tag, der für das Schmücken des Weihnachtsbaumes vorgesehen war, am Vormittag des 23. Dezember letzten Jahres mit Miriam Ferstl per Zoom ein Gespräch führen, in dem ich sie zu ihrer Motivation befragte und den Erkenntnissen, die sie aus dieser Arbeit gewinnen konnte.
Impuls und Ausgangspunkt für ihre Erforschung der Kommunikation zwischen Menschen und pflanzlichen Wesen fand Miriam in der Projektklasse der Münchner Akademie der Bildenden Künste, wo sie seit 2018 Freie Kunst mit Schwerpunkt Fotografie studiert.
Dort war das englische Künstlerduo „cooking sections“ für ein Projekt zu Gast. Sie forschen viel über die Mensch-Natur-Beziehung. Inspiriert aus dieser Zusammenarbeit ging Miriam erst der Frage nach, wie es mit der Kommunikation zwischen Heidelbeeren und Menschen geht, woraus sich dann weiterführend die Frage nach der Kommunikation mit Bäumen entwickelte. Thematisiert wurden auch die eigenen frühen Prägungen und Kontakte mit Natur. Als Kind war Miriam, aufgewachsen in der Oberpfalz, viel im Bayerischen Wald, wo sie Pilze und Heidelbeeren sammelte und es ihr einfach gut ging. Inmitten der Bäume fühlte sie sich oft wohler als unter Menschen und sah diese schon früh als ihre Freunde an. Sie sah Bäume schon immer als Lebewesen mit Empfindungen, die sich zum Beispiel selbst heilen können. Wenn sie eine Wunde haben, verschließen sie diese mit ihrer Art des Wundsaftes, dem Harz.
Sich Fragen stellen, die man sich normalerweise nicht stellt,
das kann Kunst
Dank eines Stipendiums konnte sie in den USA an der „Pilchuck glass school“ bei Seattle an einem dreiwöchigen Workshop teilnehmen, der von indigenen Künstler:innen geleitet wurde. Dadurch hatte sie Gelegenheit, sehr vielen verschiedenen Menschen unterschiedlichster Herkunft und gesellschaftlicher Prägung diese Frage zu stellen:
„Können wir mit Bäumen kommunizieren, und wenn ja, wie?“
Die meisten Personen aus diesem internationalen Kontext, die aus Alaska, Norwegen, Kanada, Vancouver Island, Japan, oder China stammten, fanden die Frage gar nicht so ungewöhnlich. Ein Kalifornier war etwas überrascht darüber, erzählte ihr aber dann, dass seine Form der Kommunikation darin bestünde, dass er jeden Tag an den gleichen Bäumen vorbeigehe auf dem Weg zu seinem Studio, und er diese Bäume zu ihm sprechen höre. Sie sagen:
“Slow down, just slow down.”
Miriams Erkenntnis aus der Umfrage, die sie 2019 begann, war, dass es zu der Frage, ob wir mit Bäumen kommunizieren können, keinen gesellschaftlichen Konsens gibt.
Ihre eigene Familie hat immer mit dem Wald gelebt, da gibt es eine lange Tradition, der Nachname Ferstl kommt sogar von Forstwirtschaft: der Förster, der Ferstl. Ihre Eltern heizen mit dem Holz, das sie sich selber aus dem Wald holen. Der Wald war gerade früher lebensnotwendig. Aber es ist eben in erster Linie der Nutzbezug, der den Umgang der Menschen mit dem Wald im Bayerischen Wald auch heute noch prägt.
In Japan hingegen benötigt man aufgrund der klimatischen Bedingungen nicht unbedingt Holz zum Heizen, zumindest erzählt das die Japanerin, mit der sie sprach. Sie erzählt ihr von einer Tradition, die darin besteht, dass man barfuss über die Wurzeln der Bäume läuft, um geheilt zu werden.
Von den „wisdom traditions“ können wir viel lernen und unsere Scheuklappenperspektive etwas erweitern.
So divers die Menschen, so unterschiedlich die Antworten, aber es gibt viele Hinweise auf Möglichkeiten. Einige Personen haben ihr sogar ganz klare Handlungsanweisungen beschrieben, wie man mit Bäumen kommunizieren kann. Ein indigener Nordamerikaner hat ihr das so erläutert:
Seine Leute bekommen ihre Visionen und heiligen Lieder von den Bäumen, d.h. sie haben heilige Bäume, zu denen sie gehen und ihnen vier heilige Opfergaben bringen, diese sind genau festgelegt: Fleisch, Gemüse, Obst und Wasser. Du gehst zu einem Baum und willst nicht einfach nur, sondern du gibst etwas. Dann bist du dort und verweilst und du empfängst, es kann sein, dass es dauert. Die Bäume sind für sein Volk die „Tree People“, wichtige „Player“ in der Gesellschaft.
„Ich hab mich fast geschämt dafür, wie wir denken. Dort ist es so klar, dass es diese Verbindung gibt und es ist ein Geben und ein Nehmen. Wir leben in so einer Nehmenskultur. Das war vielleicht auch der Grund, warum ich diese Umfrage gemacht habe – der Wunsch, die Dinge anders zu sehen, und das nicht nur für mich selber zu tun, sondern mit anderen Menschen zusammen. Es hat mir viel gegeben.“
Miriam hat Baumlieder geschrieben und diese dem Wald auch schon performt. Aber sie hat gemerkt, dass es darum gar nicht geht, dass es manchmal sogar zuviel ist. Es geht eher um die kleinen Zwischentöne, um die Liebe und die Zuwendung. Eine Erkenntnis war auch, dass bewusstes Wollen nicht geht – also mit Erfolgsdruck diese Kommunikation anzugehen – sondern es gehen zu lassen. Einfach da sein, präsent sein und schauen, was passiert.
Im Redaktionskreis erzählt Sinha Weninger von ihrer Erfahrung in einer Aufstellung, in der sie einen Baum repräsentierte. Diese „Mitschrift“ lese ich Miriam am Ende unseres Gesprächs vor – wir sind beide davon sehr berührt:
„Als Baum, der schon da war als die Menschen kommen, stehe ich weit in den Raum hineingewachsen. Verwurzelt und verzweigt in Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart. Für mich sind diese Zeitschichten Gleichzeitigkeit. An meinem Ort bin ich fest und Teil des Bodens. Darin bewegt sich vieles und ich schwinge mit diesen Bewegungen und allem, was rund um mich auftaucht, kreucht, fleucht, fliegt und schwimmt und steht. Ich wende mich zu, wenn da Mensch, Wasser oder Tier zu mir kommt, ich verbeuge mich mit ihnen, gebe Geschenke und bekomme Gaben. Geben und Nehmen, alles ist wechselseitig, jedes Lebewesen interessiert mich, und im Kontakt entstehen Rhythmus, Tanz, Heilung und Ritual. Verbunden den Ressourcen, im Wissen der Erde, im Dreh der Zeit, kommen Neue, kommt Neues.“
Ein bewachsener Durchblick auf Bäume im Botanischen Garten. (Foto: Beate Zeller)

Beate Zeller ist selbständig mit Dramaturgie & Pressearbeit in München tätig. Den Natur-Dialog Ansatz hat sie bei nature&healing im Lehrgang Systemische Naturtherapie 2016/2017 kennengelernt, mit dem Masterzyklus 2018/2019 vertieft, und ist seitdem anders unterwegs.
Portraitfoto: Franz Kimmel

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Schöner Text, danke schön. Auch dafür, die Klappen der Scheu aufzuklappen und in die Runde zu blicken oder sich “blicken” zu lassen und sich auf neue Einsichten und -blicke einzulassen.
Im SRF letzte Woche ein Hinweis auf eine Überblicksstudie und eine Art “Heureka-wir haben den Beweis”, dass die Bäume eben doch nicht miteinander kommunizieren und mit den Myzelen der Pilze eine Art Web bilden. Na und: Ist Kommunikation nicht doch etwas mehr, eben das in Beziehung zu einander setzen, was immer wir unter Beziehung verstehen?
Sprachen sprechen – von den Fischen wissen wir, dass sie auf vielfältige Weisen sprechen. Und sie sind nicht stumm, weil wir sie nicht hören. Vielmehr sind wir dafür taub, sie zu hören. Ein kleiner, feiner Unterschied.