Wasserwege
Die Natur-Dialog-Bewegung verbindet Menschen aus der Schweiz, Deutschland und Österreich. Es ist gut voneinander zu wissen und manchmal ist es richtig gut einander zu treffen. Die jährlichen Netzwerktreffen der Bewegung sind eine Gelegenheit zum echten, physischen Zusammenkommen der Mitwirkenden. Das passiert an verschiedenen Orten zur gleichen Zeit. Zudem gibt es ein Thema, das zu einer gemeinsamen inhaltlichen Ausrichtung einlädt. Rund um die Entwicklung der diesjährigen Netzwerktreffen und ihr Thema Wasserwege, entspinnt sich dieser Beitrag von Maria. Er beginnt an einem Fluss.
Regentropfen fallen in den Kamp. Ich schaue gebannt auf die flüchtigen Kreise und Wellen im Wasser. Fallen, fließen, kräuseln – wie schön! Der Fluss gluckst, blubbert, rauscht, murmelt dazu. Er teilt sein Flussbett hier mit vielgestaltigen Granitblöcken, die er wendig und klangvoll umspült.
Der Kamp ist ein, vom hohen Eisengehalt rötlich-braun gefärbter Fluss in Ober- und Niederösterreich. Sein Name kommt vom keltischen “kamb”, was so viel wie krumm bedeutet. Ich mag den krummen Fluss und besuche ihn immer wieder an verschiedenen Abschnitten seines wechselvollen Laufs. Er fließt – mal quirlig, mal gemächlich – durch Wälder und Wiesen, quert Moore und Schluchten, wird in Stauseen gedrängt, plätschert durch Weinbaugebiete. Am Weg nimmt er einige kleinere Flüsse auf und mündet schließlich in die Donau.
Auf der Mitwirkenden-Liste der Natur-Dialog-Bewegung scheint der Kamp nicht auf, die Donau ist namentlich dabei. Konstanze hat die Liste Anfang des Jahres entlang der Wasserwege sortiert. Auf der Suche nach einer Landschaftskategorie, die uns alle begleitet, ist sie auf die Flüsse und Wasserwege gestoßen. Konstanze erzählt von ihrem Strukturierungs-Projekt: “Dann bin ich mit wachsender Freude jede Person durchgegangen; einerseits habe ich selbst ein paar neue Flüsse und Fließrichtungen kennengelernt und es hat mich gefreut, zu entdecken, dass wir alle an Wassern leben.” Die Wassserwege sind ein sehr ansprechendes und inspirierendes Motiv! All die Menschen unseres Netzwerks an weit verzweigten, miteinander verbundenen Gewässern! Ein Flussnetzwerk!
Konstanzes Inspiration hat in die Vorbereitung der Netzwerktreffen hineingewirkt. Wir haben die Wasserwege als Thema der heurigen Treffen (8./9.7.) aufgegriffen. Im Vorbereitungsprozess haben wir Fließen und Stocken erlebt und manchmal auch ein Sprudeln! Eine erste Hürde war die Terminfindung. Immerhin gilt es, Leute aus drei Ländern, wenn schon nicht örtlich, so doch terminlich zusammenzubringen. Der gewählte Termin im Juli ist in Abstimmung mit mehreren Kalendern entstanden und dennoch nicht für alle grundsätzlich interessierten Gastgeber:innen möglich. Es wird aber in jedem der drei Länder ein Netzwerktreffen geben.
Die vorbereitende Zoom-Besprechung fand in unerwartet kleinem Kreis statt. Robert Hepp und Stephan Weinand waren dabei und haben dafür gesorgt, dass die Vorbereitungen im Fluss bleiben! Wir sind beim Zoom-Treffen fast unwillkürlich in aquatische Wort- und Bilderwelten eingetaucht. Wir haben festgestellt, wie wichtig wechselseitige Anregungen durch Austausch von Ideen und Erfahrungen sind. “Wasserwege entstehen durch viele kleine Bäche aus vielen Quellen. Ich brauche es, dass von oben, von unten, von der Seite etwas geflossen kommt”. Es braucht für gemeinsame Aktionen auch Commitment. “Wasser muss tragen”. Und Wasser hat eine enorme Resonanzfähigkeit. Diese leidet, wenn etwas “zach” (österreichisch für zäh, zähfließend) wird. Oder ist es umgekehrt? Was ist, wenn nichts in Resonanz geht? Wird’s dann “zach”?
Viel Resonanz ausgelöst hat die Idee, an Netzwerktreffen auch dort teilzunehmen, wo man/frau gerade ist; also an dem gemeinsamen Termin für sich ein Feuer an einem Wasser zu machen – verbunden über den Moment und das kollektive Handeln.
Genau betrachtet gibt es endlose Möglichkeiten, sich an Wasserwegen aufzuhalten. Regen und Verdunstung sind auch Wasserwege hat Robert angemerkt. Bei der Verdunstung arbeitet das Wasser sogar gegen die Schwerkraft. Und wenn ich meinen eigenen Körper wahrnehme, entkomme ich dem Wasser und seinen Wegen gar nicht! Ich bin unweigerlich Teil der komplexen Fluss- und Fließnetzwerke!
Ich bin neugierig, was sich bei den Netzwerktreffen an den verschiedenen Orten alles zeigen wird und welche Geschichten es dann zu erzählen gibt. Von den einen oder anderen werden wir hier im Natur-Dialog-Magazin sicher hören!
Während ich am Kamp den Regentropfen zugeschaut habe, waren Zoë Kuhn und Tanja Dietsche mit einer Gruppe Frauen an anderen Wassern, im Quellgebiet der Wissthur. Von dort hat mir Zoë zwei Elfchen geschickt, die ich hier gerne teile – in Verbundenheit und schönem Zusammenklang!
WASSER
Quell Geburt
Vom Himmel fallend
Verbindet uns im Kreislauf
WirksamkeitWASSERLAUF
Still fließend
Hüpfend springend sprudelig
Zeigst uns lebendiges Sein
Wechselspielend
Maria Raab ist Psychotherapeutin, Klinische- und Gesundheitspsychologin mit Weiterbildung in Systemischer Naturtherapie. Sie ist in einem Kinderschutzzentrum und in freier Praxis in Wien und Niederösterreich tätig. www.am-weg.at
Fotos: Maria Raab und Zoë Kuhn.
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