Wasserwege – Impressionen von den Netzwerktreffen
Irgendwo werden diese Wasser, an denen wir sassen, kochten und tanzten, zusammenfliessen, immer weiter zum Meer…
Sechs kurze Berichte von den Treffen am Lech (Bayern, D – von Beate Zeller), am Kamp (Waldviertel, Ö – von Maria Raab), an der Sense (Berner Oberland, CH – von Sylvia Thoma), an der Frenke (Basel-Landschaft, CH – Zoë Kuhn) und am Tschentbach (Adelboden, CH – von Sabina Fischer) vom 8. auf den 9. Juli 2023
Am Lech in Deutschland
Mit dem Gastgeber Robert Hepp treffen wir uns am Lech: Claudia, Anna und Beate, in dieser Konstellation begegneten wir uns auch im letzten Jahr, als es ums Feuerhüten ging – und fragen in einer ersten Runde: Von welchen Wassern kommen wir – welche Wasser tragen uns und was flüstert uns das Wasser?
Der Wunsch nach Veränderung, wo geht es nicht mehr weiter, das Stehen an einer Wasserscheide und die Notwendigkeit von Entscheidungen, die Strudel des Lebens, die einen in Richtungen schieben, die unvorhersehbar sind, die kaputte Wassertonne, die als Metapher dienen kann dafür, was noch tauglich ist, und was gesammelt werden will. Das sind so Themen unserer ersten Runde, die wir mit in die Zeit draußen nehmen.
Der wilde Fluss Lech ist an diesem Platz gestaut zu einem See und am Ufer ist auch ein Biberbau. Sie haben ihre Markierungen gesetzt und einige Bäume bearbeitet. Die Wurzeln einiger Fichten sind von der Rinde befreit, das Harz tropft, große Buchen wurden angeknabbert. Das beschäftigt uns in einer Naturaufstellung, Robert fürchtet um die schönen großen Bäume, die auch den Uferbereich halten. Welches ist der menschliche Part im großen Wir, um Harmonie und Schönheit mit zu gestalten. Müssen die Bäume geschützt werden vor den Bibern und welche Rolle spielen das Feuer und die Quelle?
Biber sind wahre Baumeister, als Krafttiere stehen sie für Vision, praktische Planung und Umsetzung. Die schlanke, bearbeitete Eiche sieht aus wie eine Skulptur mit der tiefen Einbuchtung, auf der die Kerben der Biberhauer zu sehen sind. In der Aufstellung erfahren wir, wie intensiv ihre Verbindung zu den Bäumen ist und erleben neue Perspektiven. Die Quelle – als Stellvertreter dient ein gelb blühender Gilbweiderich – heilt die Wunde, die die Biberzähne wie Bildhauereisen in den Stamm geschlagen haben.
Aus dem Uferbereich der Böschung oberhalb des Lechs gluckern etliche Quellen, das gut hörbare stetige Plätschern über die rutschigen Abhänge weist den Weg, die Quelle ist kühl, erfrischend, klar. Ihr Weg führt hinunter zum Fluss, der Schwerkraft folgend, dort fließt sie fast unmerklich mit ihm zusammen. Fast zu kurz ist die gemeinsame Zeit. Dank an den Platz und den Gastgeber und für das harmonische Miteinander. (Beitrag von Beate Zeller)
Hier ist kein Wasser zu sehen, aber es ist in seiner Unauffälligkeit präsent – in den Bäumen, den Blättern, und als Element im schwelenden Baumstamm, dessen Feuchtigkeit zur Rauchentwicklung führt… (Foto: Beate Zeller)
Am Kamp in Österreich
Die verblichene Tafel am Wegrand kündigt ein Flussheiligtum an. Hier sind wir also gelandet! Wir sind am mittleren Kamp, bei einem Ort namens Wegscheid. Ein Teil dieser Flussstrecke wurde 1998 im Rahmen der Kampagne “Lebendige Flüsse” von Umweltministerium, Landschaftsministerium und dem WWF zu einem “Flussheiligtum” ernannt und damit als besonders schützenswert ausgewiesen. Es ist eine wild-schöne Landschaft, die uns hier erwartet. Wir bewegen uns auf schmalen Pfaden am Flussufer entlang. Der Fluss inmitten von dichtem Grün wirkt heiter und verspielt. Davon lassen wir uns gerne anstecken, balancieren auf Steinen im Wasser, lauschen den unterschiedlichen Wasserklängen, tanzen mit dem Fluss, tauchen in das kalte Wasser. An einigen Stellen gibt es sogar die Gelegenheit zu Schlammbädern. Wir nehmen uns Zeit, in Stille dem unablässig bewegten Wasser zu folgen, verweilen an einladenden Plätzen, plaudern, kochen gemeinsam auf einem kleinen Holzöfchen, essen und trinken – Wasser! Satt und ohne Durst (unsere Sprache hat interessanterweise dafür kein Wort), können wir uns in dieser wohltuenden Umgebung gelassen durch den Tag treiben lassen. Im Mitfließen und Vorbeiziehen-Lassen, beim Spielen, Tun und Ruhen, Schauen, Spüren und Horchen plätschern auch die Stunden dahin. Die Mücken schwirren schon hungrig durch die Luft, als wir uns für den Rückweg vorbereiten. Wir verabschieden und bedanken uns am Ende dieses reichen Tages mit Gaben an den Fluss – wie es einem Flussheiligtum gebührt! (Beitrag von Maria Raab)
Gefallen
Am Flussufer
Aus der Zeit
Vom Leben freundlich umspült
Dank!
Impressionen vom Netzwerktreffen am Kamp. (Fotos: Maria Raab)
An der Sense in der Schweiz
Im gleichen Netzwerk zwar und uns doch unbekannt, machen sich Stefanie und ich auf den Weg zur Sense. Ein breites Flussbett, mit vielen Steinen, Haufen und Barrieren bildenden Baumstämmen, trockenen Flussläufen. Wir überqueren die sprudelnden Flussläufe wo es nicht zu tief ist und erreichen so den schattigen Platz im Schutz einer Felswand und Uferwaldes. In einem Wechselspiel folgen wir den vielfältigen Wasserwegen, kochen, tauschen uns aus und hüten das Feuer bis in die Nacht. Beim Streunen begegnen wir lauschig versteckten Bächlein, die sich schäumend über das Steinbett in den kühlen Teich ergiessen. Am Feuer geniessen wir das feine Essen und sinnieren über das Gestaute, die Widerwasser, die „widerwillig“ mit dem Fluss weiterziehen, über die Aufgabe des Tümpels mit dem scheinbar reglosen Wasser und dem Moderboden. Neben den Felsen, den Bäumen, den Weidewäldchen und dem Milan, kreuzen wir immer wieder Spuren des Bibers. Kleine und größere Staudämme, stabil und doch von Wasser durchflossen, Fraßspuren an Ästen und Bäumen. Wie das Wasser ist er hier ein versteckter, aber aktiver Gestalter der Landschaft.
Nach einer ruhigen Nacht vertiefen wir uns nochmals in das, was diese Wasser in uns angestoßen, in Bewegung gebracht, gelöst haben. An diesem heißen Sommertag tauchen wir auch immer wieder ins Wasser, in das kalte, das aus dem Wald geflossen kommt und in das weitgereiste, von der Sonne gewärmte. Belebt und reich beschenkt, ausgestiegen aus dem Flussbett, zeigt sich ein kräftiger Wasserfall nach einer Wegbiegung im Wald. Berührt und dankbar ziehen wir weiter, hinauf in die Sonne, in die Welt der Weiden, Wiesen, Häuser und Menschen. (Beitrag von Sylvia Thoma)
Impressionen vom Netzwerktreffen an der Sense. (Fotos: Sylvia Thoma / Stefanie Staub)
An der Frenke in der Schweiz
Ich sitze an der hinteren Frenke, ein kleiner Fluss, der außerhalb von Bubendorf seines Weges fließt. Zwei alte Bäume, eine Rosskastanie und eine Buche, in ihrer Nachbarschaft von Haseln, Eschen, Ahorn, Weiden, Schwarzdorn umgeben, bilden ein Wäldchen. Der Fluss mäandert über natürliche Schwellen, das Wasser fließt mal schnell, mal langsamer, die Schwellen entlocken ihm unterschiedliche Wasserklänge, Geplauder. Ein gefallener Wurzelstock lässt Wasser in einer Spirale hinterlaufen und schon geht’s weiter, über dem Wasser im Abendlicht tanzen Mücken. Die hintere Frenke vereint sich mit der vordern Frenke, gemeinsam fließen sie in die Ergolz, die ca. 10 km weiter in Augst in den Rhein mündet.
Eine europäische Hornisse lässt sich nieder, labt sich am Wasser – europäisch, da die asiatische Hornisse bei uns Einzug hält – rote und grüne Wildpflaumen winken mir vom gegenüberliegenden Ufer zu.
Ich schicke Grüße an die Menschen, die sich an der Sense, in Deutschland und Österreich auch dem Wasser zuwenden. . . . Meine Gedanken und Wünsche, uns immer mehr, tiefer mit der natürlichen Vielfalt zu verbinden, für sie einzustehen, fließen dem Rhein entgegen. Ein Zaunkönig und eine Amsel bekräftigen mit ihrem Gesang meine Wünsche!!
Wieder zuhause suche ich den Weg der Sense zum Rhein, eine Weltreise im Gegensatz zu den 10 km von meinem Sitzplatz zum Rhein: Sense von der Höhe Schwarzenberg bis zur Saane in Laupen 20 km, weiter als Saane 10 km, wo sie Nähe Wohlensee in die Aare fließt, die, 150 km durchs Mittelland ihren Weg nach Koblenz findet, wo sie dem Rhein zufließt, nochmals 50 km legt der Rhein zurück, bis er bei der Einmündung der Ergolz in Augst ankommt. (Beitrag von Zoë Kuhn)
Flussabwärts verbunden an der hinteren Frenke. (Fotos: Zoë Kuhn)
Am Tschentbach in der Schweiz
Mit vier Frauen am Wasser des Tschentbachs bei Adelboden, eingebettet in Geröll und Geschiebe in vielfältiger Form, an einem mit dem Wind tanzenden Feuer. Das Murmeln, Plätschern und Rauschen des Bachs mischt sich in unsere Gespräche, unser Lachen, lädt ein zum Bad im glasklaren Schmelzwasser, raubt uns den Atem und schickt beim Auftauchen eine prickelnde Wärme durch den Körper. Berauschende Lebendigkeit. Wir feiern diesen reichen Moment und lassen den Bach unsere Freude mittragen, flussabwärts, dorthin, wo wir andere an Wassern wissen, die mit uns verbunden sind. (Beitrag von Sabina Fischer)
Flussaufwärts verbunden am Tschentbach. (Fotos: Sabina Fischer)
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