Vielfältige Vernetzungen
Bei der letzten Jahresversammlung haben wir viele Ideen zu Vernetzungsaktivitäten in der Natur-Dialog-Bewegung gesammelt. Seither wurde einiges angeregt, ausprobiert und angeboten – an verschiedenen Orten, in diversen Konstellationen, zu wechselnden Jahreszeiten. Ein paar Eindrücke davon teilen wir hier.
Von der Tipping Time zur Land Art (Maria Raab)
An einem sonnigen Tag im Mai hängen im Sonnenpark in St. Pölten, Niederösterreich, Plakate zur Natur-Dialog-Arbeit. Auf einem Tisch liegen einschlägige Bücher. Essen und Trinken stehen bereit. Leute plaudern und diskutieren. Es ist der Tag der Initiativen im Rahmen der “Tipping Time” – Klimakonferenz der Zivilgesellschaft. Barbara, Andrea und Franz haben hier gemeinsam einen Stand gestaltet. Von einigen Zufällen her gelenkt, können sie bei dieser Gelegenheit ihre Begeisterung für die Natur-Dialog-Arbeit mit Neugierigen und Interessierten teilen. Ein Feuerkreis wird angeboten – aufgrund eines Feuerverbots mit bescheidenen Kerzenflammen in einer Schale mit Kohle. Aber auch dieses Feuer wird gewürdigt und gehütet! Franz erzählt:
Auffällig für mich war der Ort, der Sonnenpark, selbst. Mitten im urbanen Gebiet der Landeshauptstadt befindet sich ein Park, der wie ein Wildnisraum wirkt, in vielerlei Hinsicht belebt und lebendig, und doch auch im kulturellen Sinne in einer sehr achtsamen Weise gepflegt. Also ein Ort, wo Mensch und Natur gut miteinander sein können. Ja, wo auch Menschen gut in ihrer Natur sein können und sich dieser Park an den Menschen spürbar erfreut. Mittendurch ein Fluss, also fast ein kleines Paradies, ein Refugium ganz konkret gelebten Miteinanders… Dieser Zustand könnte freilich den Hütern dieses Ortes, dem Verein Solektiv geschuldet sein, kam mir damals gleich in den Sinn. Das Programm „Tipping Time“ war ja ganz und gar dem „Kampf gegen den Klimawandel“ gewidmet. Prinzipiell wurden keine Kosten und Mühen gescheut, das Programm war vom Feinsten, könnte man durchaus anerkennend behaupten. Nur es zog wenig Gäste von außen an. Ein Mathematiker interessierte sich in erster Linie für das mathematische Problem um „Tipping Points“. Er kam zu unserem Stand, weil er kürzlich in Sri Lanka eine gewisse Faszination für das Element Feuer für sich entdeckt hat und wir dort die einzigen waren, die es geschafft haben, an dieser Veranstaltung, wenn auch nur in stilisierter Form, das Element Feuer reinzuschmuggeln.
Schön waren die teilweise sehr langen, sehr persönlichen Gespräche mit den anderen Ausstellern – engagierte Menschen, die schon viel Erfahrungen, Erfolge und Misserfolge mit den Themen hatten, für die sie sich in ihrem Leben gerufen fühlten. Und interessant war, dass ich erstaunlich viele schon kannte. Unsere Lebenswege hatten sich schon mal – oft in völlig anderen Kontexten – gekreuzt.
Ein prasselndes Feuer unter freiem Nachthimmel dürfen wir dann im Herbst bei einem recht spontan initiierten Vernetzungstreffen gemeinsam erleben. Der Ort ist diesmal ein Hügel etwas westlich von Wien. Wir verdanken es menschlichen Kontaktnetzen, dass wir hier Feuer machen dürfen. In Österreich ist das nicht so selbstverständlich. Barbara Wörz bietet an diesem Ort auch regelmäßig Feuerkreisdialoge an. Wir sitzen am Waldrand mit weitem Blick über den Wienerwald und die angrenzende Stadt, wärmen uns am Feuer und am heißen Tee, stärken uns mit einer mitgebrachten Suppe. Feuerfunken, Mond- und Sternenlicht begleiten und inspirieren unseren Austausch zu naturdialogischen Erfahrungen in beruflichen und privaten Kontexten, zu Fragen rund um die naturdialogischen Arbeitsweisen sowie zu neuen Projektideen und Plänen. Ja, Schmieden ohne Feuer geht halt nicht. Auch wenn es nur Ideen und Pläne sind….
Etwas später kehren wir noch einmal in den Sonnenpark zurück, wo ein LandArt-Workshop stattfindet. Andrea, Barbara und Maria sind mit von der Partie, als es darum geht, sich von Naturmaterialien wie bunten Blättern, Beeren, Blüten, Früchten ansprechen zu lassen und vergängliche Kunstwerke zu schaffen. Die Fragen, “Was ist Kunst?” “Was Natur?” bleiben offen. Den schön geäderten Blättern, kunstvoll geformten Schneckenhäusern und urzeitlichen Farnen ist es vermutlich gleich. Und wir werden uns vielleicht noch darüber unterhalten, wenn wir unsere Beziehungsnetze weiter pflegen.
Nährende Verbindungen eingehen – Feuerdialog an der Donau (Brigitte Reitter)
Ein Feuer, bei dem auch das Wasser mitspricht..
…denn so fing es an: an einem heißen Sommertag, dem 24. August 2024, kamen vier Frauen aus dem süddeutschen Raum angereist, die sich zum Feuer gerufen fühlten – und dennoch erstmal in die Donau abtauchten. Das lange Baden im kalten Wasser und über uns die feurige Sonne: Was für ein freudiges und lustvolles Planschen. Danach fand jede ihre Aufgabe: Holz spalten, Holz an der Feuerstelle stapeln, Gemüse schneiden und Utensilien zusammentragen. Während die feine Gemüsesuppe – aus mitgebrachtem selbst gesäten, gepflegten und geerntetem Gemüse – vor sich hin köchelte, kamen wir fünf Frauen ins Gespräch miteinander. Was sind nährende Beziehungen für dich? Was braucht es? – Dazu fällt mir eine Geschichte ein… – Wieviel Nährendes ist gut und was ist „Überernährung“? – Und wie ist es bei dir? – Da blubbert die Suppe laut auf, gibt Antwort. Das Feuer knackt und lodert und stellt die nächste Frage in den Raum. Wir schweigen.
Wir haben es sehr wohlig, und während wir über das Nährende sprechen, ruft auch schon die Suppe, dass sie jetzt soweit wäre, uns von innen zu nähren. Der satte Sternenhimmel bezeugt uns. Satt und müde und mit schönen Antworten und Fragen legen wir uns schlafen.
Am nächsten Morgen geht es weiter. Die Asche nährt nach. Zwei Frauen möchten gerne etwas tun, sie spalten Holz, widmen sich der Gartenpflege, nähren und beschenken durch Anwesenheit und Verbundenheit.
Zur Abreise bekommt jede noch Gemüse mit auf den Weg: nachnähren.
Und der Ort und seine Hüterin? Auf allen Ebenen genährt!
Impressionen aus dem Netzwerktreffen „Herbst“ am Lech/Bayern (Robert Hepp)
Kurzfristig hatte sich die Idee für dieses Netzwerktreffen eingespielt, nur fünf Tage vorher. Also eigentlich zu wenig Vorlauf, damit sich noch andere Menschen auf den Weg machen können. Trotzdem hatte die Idee Kraft und fühlte sich richtig an, und so waren wir dann auch letzten Freitag vor Sonnenuntergang am Feuer am Fluss. Wir, das sind der Fluss, diverse Bäume und Sträucher, eine vermooste Wiese, etwas Nebel, der dann in Regen überging, ein plötzlich aufscheinender Vollmond, Schwäne auf Wasserlicht treibend, die Stille unterbrochen von vereinzelten Vogelstimmen, unsichtbare NaturdialoglerInnen und ich selbst mit anfangs einsamen Gedanken…und natürlich bestimmt noch viele andere Wesenheiten.
Das feuchte Feuerholz rauchte sehr lange, bis es ähnlich dem Mond von jetzt auf gleich in voller Pracht hell aufloderte. Ich wollte das Warten aushalten und nicht gleich optimieren, um schneller an das Licht und die Wärme zu kommen; Glut und Rauch und ab und zu ein Knistern, ein „Mach nix und schau zu, halt aus…freu mich…“.
Ich habe das Treffen dann am nächsten Tag unterbrochen und am Nachmittag noch bis Sonntag verlängert, nicht offiziell, eher privat, wenn das überhaupt möglich ist im Dialogischen mit der Natur. Jedenfalls gab es einen von mehreren Gedanken bzw. Sätzen aus dieser Zeit, der mir auch jetzt noch nahe geht: “Wenn ich in der Gegenwart bin, kann ich keine Zeit verlieren.“ Ob das immer stimmt, weiß ich noch nicht…aber seht selbst. Bis ein andermal und herzliche Grüße von den Anderen!
Beziehungen pflegen (Tanja Dietsche)
In Bremgarten fanden heuer zwei Intervisionstreffen statt, einmal im Juni und einmal im November. Wir wollen dabei persönliche Beziehungen pflegen und stärken, mit Gleichgesinnten Erfahrungen und Geschichten austauschen und verschiedenen Fragen nachgehen. Form und Inhalt der Treffen werden jeweils gemeinsam gestaltet. Wir hüten gemeinsam ein Feuer, nutzen die Gelegenheit, bewusst mit einem Anliegen in den Raum zu gehen, wir schauen, hören, spüren, was uns dabei begegnet und wir nehmen uns Zeit für Gespräche in offenen Runden.
Im Juni haben wir uns mit naturdialogischen Begrifflichkeiten auseinandergesetzt und sind dem Anliegen der Qualitätssicherung fragend gefolgt. Wie werden elementare Kräfte einbezogen? Wie bekommen die Wirkkräfte in unserer Sprache und unseren Begleitungen Raum als DialogpartnerInnen? Auch das Thema der Wechselseitigkeit hat uns beschäftigt: Was schenke ich? Was nehme ich?
Im November traten unter anderem folgende Fragen in den Raum: Was ist “meins”? Für wen mache ich meine Angebote? Wie werde ich oder mache ich mich sichtbar? Wofür schlägt mein Herz? Wie kann ich Verbindungen fördern – mit Klienten, Kooperationspartnern, Wirkkräften?
Wir sind dann darauf gekommen, dass die Haltung des Seins – weniger wollen, mehr ausrichten und einladen -, wesentlich dafür ist, in nährende Verbindungen zu kommen. Und dass wir uns mehr stille Momente schenken wollen in einer doch immer wieder lauten Zeit. Dass wir uns erlauben dürfen, zu stolpern und gemittet und offen sein wollen für das, was da ist und was kommt. Es scheint uns wichtig, so etwas wie Momente der Stille zu etablieren, um Verbindungen zu stärken. Zuerst zu uns selbst. Mit uns selbst in guter Verbindung sein, schafft die Voraussetzung, gute Verbindungen nach außen einzugehen und zu pflegen. Auch spezifische Fragen haben Platz in der Runde. Zuletzt haben wir uns etwa die Frage gestellt: “Wie begleite ich Menschen, die mit ihren inneren Stimmen schwer zurecht kommen, naturdialogisch so, dass die Vielstimmigkeit des Raums keine Überforderung ist?” Daraus hat sich ein Austausch über 1:1 Begleitungen und deren Chancen und Herausforderungen mit psychisch belasteten Menschen ergeben.
Die im letzten Jahr begonnene Tradition der Intervisionstreffen wird 2025 weitergeführt. Der nächste Termin steht schon fest: Sonntag, 23. März von 10-14 Uhr. Infos + Anmeldung bei Tanja Dietsche.
Fotos: AutorInnen der Beiträge
CC BY ND Verwendung zu nicht-kommerziellen Zwecken erlaubt, solange dies ohne Veränderungen und vollständig geschieht und der Urheber genannt wird.
Eine sehr schöne und reiche Sammlung aus diesem aktivistischen Netzwerk. Vielen Dank für den Beitrag, für dieses unscheinbare und treue Hüten, Fragen und Teilen. Und für eure schöne Sprache in diesen Geschichten. Liebe Grüsse Sinha
Ihr Lieben, vielen herzlichen Dank für eure schönen motivierenden Berichte – ermutigende Begegnungen an vielen Orten. Auf viele weitere gemeinsame Schritte – herzlich – Michael