“Was wachsen soll, muss in die Erde.”
… sagte Franz Schweinberger in seinem Vortrag am Forum “Erde liebt” im August 2019. Franz sagte das ganz trocken und es gab offensichtlich auch nichts hinzuzufügen. Wir lachten und warteten darauf, dass noch eine Ergänzung käme. Aber es war offensichtlich alles gesagt, denn Franz schwieg. So einfach? So einfach! Ein Naturgesetz. Das Lachen verstummte und hinterliess wertschätzendes Schweigen: “Wie Recht er hat!”
Aber von vorn
Nur, wo ist “vorn”? Wie, wo und wann begann die Geschichte dieses Verbandes? Liegt der Anfang in der Courage von Astrid Habiba Kreszmeier, 2008 ein Buch über Systemische Naturtherapie zu veröffentlichen oder in der Kunst von Hans-Peter Hufenus im Erkennen der Zeichen und Phänomene, im Mut von Bettina Grote, die in Berlin allein ein eigenes Institut gründete oder im Ruf von Djamila Raunitschka oder Robert Hepp die seit Jahrzehnten junge Menschen in tiefer Verbundenheit zur Natur ins Erwachsensein begleiten? War das Vertrauen ins Feuer von Christian Mulle massgeblich, das selbstverständliche Umsetzen und Befürworten naturtherapeutischer Arbeitsweisen von Sinha Weninger, die beständige Freude von Konstanze Thomas am Aufbau von Gefässen oder die intellektuelle Schubkraft der Lehrgangsgruppe SNT 12? In dieser Geschichte zeigt sich ein Kernelement des Natur-Dialog Ansatzes: Es gibt keine heldenhafte Einzelleistung. Hier führt die Kraft der Verbundenheit, das miteinander und ineinander Wirken, bewusst oder unbewusst, in Resonanz mit dem Leben und seinen Zeichen, aus denen sich im rechten Moment zeigt oder fügt, was sein will und Sinn macht.
Zusammenschliessen aber wie?
Vermutlich könnte jede*r der Gründungsmitglieder eine eigene Geschichte erzählen, wie es zur Verbandsidee kam, ganz sicher hatten Einzelne schon vor einigen Jahren einen solchen Gedanken, er ist im Raum zwischen uns gereift und ging durch viele Köpfe. Bei mir landete die Idee Ende 2018. Ganz unvermittelt im Büro. Sicher habe ich ein wenig vor mich hingestarrt, bin ins Träumen geraten und dachte auf einmal: Ein eigener Verband – das wär’s! Zu dieser Zeit erlebte ich in einer Hälfte meines beruflichen Wirkens immer wieder, welche politischen Mitbestimmungsmöglichkeiten Berufsverbände haben: Wie leicht es für sie war Bildungsziele für Berufsleute festzulegen, breit anerkannte Zertifikate auszugeben, die Angebote der Mitglieder zu vermarkten, Publikationen zu veröffentlichen oder sich auf andere Art als Professionelle in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen. Und dazu müssen die Menschen, die diese Verbände mit ihrer Arbeitskraft ausgestalten, nicht einmal besonders engagiert sein – das Gefäss an sich scheint viel Potential zu haben. Parallel zu dieser Arbeit erlebte ich als Lehrtrainerin in Systemischer Naturtherapie das Gegenteil: Teilnehmende und Absolvent*innen bemühten sich mit viel Enthusiasmus und Überzeugung für ihre Sache, naturtherapeutische Arbeitsweisen in ihre sozialen Berufe einfliessen zu lassen, aber es gelang nur Einzelnen dauerhaft. Vielfach bemühten sie sich allein um Anerkennung, ohne Netzwerk, jede* für sich.
“Warum nicht einen eigenen Verband gründen?”, schlug ich also im SNT-Team vor. Wir diskutierten Vor- und Nachteile und entschieden die Idee bei Seite zu legen. Der Aufwand schien uns kaum den Nutzen aufzuwiegen und gemeinsam teilten wir ein kleines Unwohlsein in Bezug auf diese Art menschengemachter Verbindungsgefässe. Die Energie wollten wir an nützlicherer Stelle einsetzen: direkt im Konzept der Systemischen Naturtherapie und Beratung.
Fachkreise entstehen
Aber diesen Teil der Geschichte muss Habiba erzählen: Wie kam es eigentlich zum Impuls mit den Fachkreisen und zur ersten Einladung für das Treffen im März?
“Nach vielen Jahren Praxis und Weiterbildung mit Systemischer Naturtherapie ist mir immer deutlicher geworden, wie viele Menschen sich oft in „rauher“ Umgebung oder in Kontexten, für die ein solcher Arbeitsansatz ganz fremd ist, um seine Umsetzung bemühen. Dabei sind sie oft „alleine“. Viele kompetente Initiativen an vielen Orten, leider ohne stützendes Netzwerk, ohne fachlichen Austausch und ohne gegenseitige Ermutigung. Ende 2018 gab es dann zeitgleich Anfragen von Kolleg*innen aus der Schweiz und Österreich, die in Sachen Netzwerk aktiv werden wollten. Das schien also der opportune Moment zu einem Naturtherapie-Fachkreise-Treffen einzuladen und es hat funktioniert!”
Und wie entstand dann die Idee zum konkreten Natur Dialog Ansatz?
“An jenem ersten Fachkreisetreffen sind Kolleginnen und Kollegen aus den Arbeitsbereichen Medizin, Psychotherapie, Organisationsberatung, soziale Pädagogik, Bildungsmanagement und Kunst zusammen gekommen. Im Austausch wurde bald deutlich, dass es hilfreich wäre, eine Metatheorie zu haben, die auf das naturtherapeutische Geschehen noch einmal anders schaut, es in einen erweiterten, Brücken bildenden Rahmen setzt. Ich habe mich bereit erklärt, darüber nachzudenken. Im Austausch mit 6 weiteren Kolleg*innen haben wir zwischen April und August daran gearbeitet und das Zwischen-Ergebnis im August 2019 anlässlich des Fachforums präsentiert.”
Die Forumsgäste als Sounding Board
Es waren besondere Forumstage, es wehte fachlich ein inspirierender Wind, aber auch die Stimmung der Menschen untereinander schien in neuer Qualität. Aufbruchstimmung, Neugier, Verbundenheit und Handlungsbereitschaft waren im Raum. Ganz zum Schluss – alle waren schon ein bisschen müde – wurde die Idee eines Natur-Dialog-Verbandes vorgestellt. Die Reaktionen waren verblüffend zustimmend. Es schien, als seien viele von sich selbst überrascht, dass sie diesen Verband befürworten und ihm sogar beitreten würden. Ein Statement war zum Beispiel: “Nie würde ich einem Verein beitreten, das habe ich mir schon vor vielen Jahren geschworen. Aber jetzt muss ich wohl eine Ausnahme machen.” Die Stellungnahmen und Signale waren klar: Es kann losgehen!
“Was wachsen soll muss in die Erde.”, lautete der erste Satz im Mail, was noch im Oktober alle Forumsteilnehmenden erhielten. Ich musste Schmunzeln und die Einfachheit und Tiefe, die dieser Satz trägt, war mir gleich wieder präsent. In ein digitales Notizbuch konnten Vorschläge und Stimmen zum Titel des Verbandes, zu Formen der Mitgliedschaft, Funktionen, Kandidat*innen, Mitgliedsbeitrag, Zweck und vor allem zum Gründungstermin eingetragen werden.
“Verbandelt”
Am 3. Januar 2020 trafen sich dann 13 Personen, um diese vorbereiteten Inhalte zu diskutieren und festzulegen. Das war ein dichter Tag, mit vielen Worten und Beiträgen und intensivem Austausch um vollständige und treffende Formulierungen. Was es da nicht alles zu Bedenken gab! Aber am Abend konnten wir auf den neu gegründeten “Verband Natur-Dialog” anstossen.
Der Samen ist gesetzt. Es besteht nun ein Netzwerk, ein Gefäss für politisches Handeln zugunsten der Verbundenheit mit der Natur in der menschengemachten Welt: “Im Fokus steht eine Lobbyarbeit, die daran erinnert, dass Menschen, Tiere, Steine, Pflanzen verwandt und mit den Elementen und Kräften der Natur verbunden sind und somit in gegenseitiger Mitverantwortung leben.” (Auszug aus den Statuten)
Neben dem Erkennen der Zeichen und guten Fügungen, ist solch ein Projekt auch ein gutes Stück Arbeit. Hier sei an dieser Stelle Astrid Habiba Kreszmeier und Hans-Peter Hufenus gedankt, die so viele Jahre die Achse dieser Arbeitsweise bildeten und Konzept und Community “gehegt und gepflegt” und dafür gesorgt haben, dass überhaupt ein Same zur Verfügung stand.
“Verbandelt”, meint auch “ein Liebesverhältnis eingehen” bzw. “engen Verbundenheit”. Das soll hier gepflegt sein, in erster Linie in der Beziehung mit der Natur, aber auch unter den Mitgliedern und mit dem Verband als gemeinsamer Wirkungsraum. Auch das ist Anwendung des Natur-Dialog Ansatzes: in der Praxis, in der Forschung aber vor allem auch, im öffentlichen Sprechen über den Wert der Verbundenheit.
PS: Warum der Vietnamesische Dong fast die offizielle Währung des Verbandes geworden wäre, soll hier als anregendes Rätsel stehen bleiben. 😉
Konstanze Thomas ist Erwachsenenbildnerin und Mitinitiantin der Natur-Dialog Bewegung. Sie ist Makota in der terrasagrada, Schneiderin und Reisende.
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