Lebendige Gemeinschaft

Hier ein Auszug aus dem «Logbuch» von Anne, in dem sie von ihrem ersten Sympoi Modul im Sommer 2025 in den Bergen berichtet. Wir freuen uns sehr darüber, dass sie ihre Erlebnisse, Erfahrungen und Begegnungen mit dem Natur-Dialog Netzwerk teilt und sicher auch in einigen die Sehnsucht nach dem «einfach draußen und verbunden sein» weckt:

«Warum beginnt mein Sympoi-Weg in einer Bergregion?»
Ich denke, die Themen, die der Berg rufen kann, werden gerade berührt in meinem Praxisalltag als Psychotherapeutin und Mensch im 50. Lebensjahr. Themen wie Sinn und Aufgabe, Identitätsprozesse, Schutz, Orientierung und das Vertrautsein mit der Landschaft rund um Alp und Baumgrenze durch meine grosselterlichen Wurzeln im Saanenland hat diesen Einstieg erleichtert.

Unser Gemeinschaftsplatz im Maderanertal lag auf einer teils bewaldeten, teils von blühenden Bergwiesen bedeckten Hügelkuppe, umflossen von Bergbächen. Von den hoch über uns aufragenden Felsen fiel das Wasser in stiebenden Wasserfällen. Unser direktes Gegenüber war die schöne «Stäuberin» mit ihren Schleiern und Nebeln, ihrem endlosen Fallen, ihrem Schwellen im Tagesverlauf, ihrem Rauschen und Brausen, das mich nachts einhüllte mit einem Klang ähnlich der Meeresbrandung hinter einer schützenden Düne.
Der Platz unter einer Birkengruppe unter dem Schutz der «Stäuberin» hat mich angesprochen, und ich habe die Einladung gerne angenommen. Um fünf Uhr morgens sang die Nachtigall ganz in der Nähe. Ihr Lied liess in mir den Satz erklingen: «Gut bist Du da.»
Nachts träumte ich von einem Fläschchen Parfum eines geliebten verstorbenen Menschen. Die Essenz der Erinnerung, wie entsteht sie?

Am ersten Tag lernte ich auch das Küchenfeuer und das Gemeinschaftsfeuer kennen. Ich sah zu, wie erfahrene Kolleginnen ein Funken stiebendes, knisterndes Feuer aus Tannenzweigen zwischen drei sorgfältig platzierten Kochsteinen nährten, um darauf unser erstes Nachtessen zu kochen. Welch ein Unterschied zu den ruhigen, fast rauchfreien Flammen des sorgfältig geschichteten Feuers, um das wir uns anschliessend versammelten. Bestimmt trug dieses Feuer zusammen mit dem haltenden Dasein von Sinha und Christian zum Entstehen einer ruhigen und sicheren Atmosphäre bei, in der wir einander zuhören konnten.

Am zweiten Tag führte mich ein Spaziergang zwischen ein volles und ein leeres Bachbett bis zum Punkt, wo sich die beiden treffen. Da setzte ich mich hin. Nach einiger Zeit der Stille entstand ein innerer Dialog mit beiden, der mich sehr ergriffen hat.
Die «Nature Art», die wir in der Nähe unseres Schlafplatzes gestalten sollten, war bereits da, ich musste nur gut hinsehen: Die schützende kleine Felshöhle, in deren Schutz ein Tannen- und ein Birkensprössling wachsen. Der umgestürzte Baum, der einen Stein mitgerissen hat, auf dem nun wieder Moose und kleine Pflanzen wachsen. In etwas Abstand zwei ineinander verschlungene Baumstämme und ein bemooster Stein inmitten blauer Heidelbeeren. Alles gewann in diesem Moment des Hinschauens eine bildhafte Bedeutung. Mit wenigen Handgriffen legte ich dazu was nötig war. Mein Gegenüber, die Stäuberin, war einfach da.
In einer Pause stieg ich zum Milchbach hoch, tönte und sang mit seinen Wassern.

An diesem letzten Tag habe ich erlebt, wie leicht die Füße auf dem Weg sein können und auch wie schwer. Wie beglückende Zustände der Zugehörigkeit entstehen und auch isolierende Zustände der Orientierungslosigkeit. Nach einer langen Wanderung mit großem Rucksack und der Suche nach einem Schlafplatz war ich froh um das Wasser des Bergbaches und um die reinigende Kraft des Feuers, auf dem ich dieses Wasser kochen konnte und das meinen müden Geist zentrierte. Ich war froh um die stärkende Suppe mit einer Handvoll Reis und Bergkräutern. Nach den Nächten unter luftigen Birken spürte ich die schützende Kraft der ausladenden Äste einer gastlichen Tanne. Zwischen ihren kräftigen Wurzeln fand ich eine flache Stelle für meine Matte. Auch eine Birke war in der Nähe und half, mein Tarp-Dach zu halten, zusammen mit Wacholder- und Bergrosenbüschen. Frühmorgens träumte ich von einem Buntspecht, der in den Zweigen der Tanne saß.

Auf dem Weg hinunter zu unserem Treffpunkt am Golzerensee lag ein altes Vogelnest und fand seinen wichtigen Platz im inneren Bild meiner Berg-Begegnungen.

Sinha und Christian empfingen uns mit einem wundervollen Frühstück am Feuer. Ihr herzlich-warmes Anteilnehmen, Halten, Schützen, Begleiten und vertrauensvolles Loslassen haben den Raum gehalten für diese neuen Erfahrungen. Es tat gut, hier anzukommen und anschließend als ein grosser «Pilz» im Regen unter den Bäumen einander zuzuhören und das Erlebte zu teilen.

Zu Hause angekommen kochte ich mit den Kräutern vom Berg, Thymian, Silbermantel und Frauenmantel einen Tee – eine elementare Verschreibung von Sinha – und zündete dazu die Kerze an, welche wir für den letzten Tag mit auf den Weg bekommen hatten.
In mir war es ruhig.
Ein Specht hat angeklopft.
Die Tür ist offen.

 

Autorin: Anne Wälchli ist als Psychotherapeutin in Spiez BE, Schweiz tätig.

Fotos: Anne Wälchli, Christian Mulle

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Ein Kommentar

  1. Liebe Anne. Wie schön Dein Dialog mit der mehr-als-menschlichen Welt, den Feuern, den Bäumen und Pflanzen, dem Wasserfall, den Bachbetten, dem Tee, dem Nebel und den Vögel, mit allem dazwischen und Deinem Vertrauen dass sich hier etwas auftun will. Herzliche Grüsse, Sinha

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